Wenn es um die Zukunft einer Region geht – um Straßen, Schulen, Krankenhäuser oder die Gesundheitsversorgung – fällt die Entscheidung meist nicht im Rathaus, sondern im Kreistag.
Kein Wunder also, dass viele Bürgermeister auch dort mitreden wollen. Doch ist das klug? Und wo liegen Chancen und Risiken, wenn der Bürgermeister zugleich Kreisrat ist?
Ein Sitz mit Gewicht
Die Argumente für eine Doppelrolle klingen überzeugend: Bürgermeister kennen ihre Gemeinde, wissen, was vor Ort gebraucht wird, und bringen dieses Wissen in die Kreispolitik ein. Sie können Projekte anstoßen, Netzwerke knüpfen und die Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger direkt in die Diskussion tragen.
Gerade bei Themen wie Verkehr, Bildung, Wirtschaft oder Kliniken ist die Nähe zur kommunalen Praxis ein Gewinn.
Viele Landkreise profitieren davon, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Kreistag fachlich versiert und gut vernetzt sind. Entscheidungen können so realitätsnäher getroffen werden – weniger Bürokratie, mehr Pragmatismus.
Zwischen Verantwortung und Interessenkonflikt
Doch wo Einfluss ist, ist auch Verantwortung – und manchmal Konflikt. Ein Bürgermeister im Kreistag entscheidet etwa über die Kreisumlage, also darüber, wie viel Geld seine eigene Gemeinde an den Landkreis zahlen muss.
Er sitzt damit sprichwörtlich auf zwei Stühlen:
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als Vertreter seiner Gemeinde, die sparen möchte,
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und als Kreisrat, der den Landkreis handlungsfähig halten will.
Auch bei Standortentscheidungen – etwa für Schulen, Straßen oder Gesundheitszentren – kann es knifflig werden: Soll der Standort in die eigene Gemeinde kommen oder dahin, wo es für die Region insgesamt sinnvoller ist?
In solchen Fällen droht Befangenheit: Der Bürgermeister darf zwar mitreden, aber manchmal nicht mitentscheiden.
Politische Präsenz oder Machtkonzentration?
In manchen Landkreisen stellen Bürgermeister die Hälfte oder mehr der Kreisräte. Das kann den Kreistag professionalisieren – oder die Vielfalt der Stimmen einschränken. Kleinere Gemeinden und ehrenamtliche Kreisräte fühlen sich dann mitunter übergangen.
Dafür spricht hingegen: Ohne Bürgermeister fehlt die Stimme der Kommunen. Sie sind das Bindeglied zwischen Bürgern und Verwaltung, zwischen Kreispolitik und Gemeindepraxis.
Der Mittelweg: Nähe ja – Neutralität auch
Ein Mittelweg scheint möglich: Bürgermeister können im Kreistag als sachkundige Vertreter ihrer Gemeinden wirken, solange sie ihre Doppelrolle bewusst wahrnehmen.
Das bedeutet, sich bei Interessenkollisionen klar zu positionieren oder gegebenenfalls zu enthalten, wenn die eigene Gemeinde direkt betroffen ist.
So bleibt der Dialog lebendig – ohne dass Loyalitäten verschwimmen.
Ein Balanceakt
Die Doppelrolle von Bürgermeistern im Kreistag ist kein Widerspruch – aber ein Balanceakt.
Sie kann der Region nutzen, wenn sie mit Augenmaß gelebt wird. Denn wer den Landkreis gestalten will, braucht beides: Einfluss und Integrität.
