Bürgermeisterwahl: Kownatzkis Strategie, ob wir wollen oder nicht

18.10.2025

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Michael Kownatzki, Kandidat für das Bürgermeisteramt, hat mit einem Satz für Diskussionen gesorgt: „Wehr wird mehr Menschen aufnehmen müssen – ob wir wollen oder nicht.“

Eine Aussage, die alternativlos klingt, fast wie eine Naturgewalt. Doch stimmt das wirklich?

Muss eine Stadt wachsen, um zu bestehen – oder kann gerade das bewusste Begrenzen von Wachstum ein Vorteil sein?

Die Vorstellung vom Zwang

Kownatzkis Satz bedient ein verbreitetes politisches Muster: Wachstum wird als unausweichlich dargestellt. In dieser Logik ist Stillstand gleichbedeutend mit Rückschritt. Doch Städte sind keine Unternehmen, deren Erfolg sich nur an steigenden Zahlen misst. Eine Stadt lebt von Lebensqualität, Stabilität und Identität – nicht allein von Einwohnerstatistiken.

Wer Wachstum als Zwang begreift, übersieht, dass jede Kommune innerhalb einer Region Teil eines größeren Ganzen ist. Wenn Wehr also nicht jeden Quadratmeter bebaut, heißt das nicht, dass sie „verliert“.

Im Gegenteil: Es kann bedeuten, dass Nachbargemeinden wachsen – und dadurch Aufgaben übernehmen, die Wehr entlasten.

Wenn Nicht-Wachstum zur Strategie wird

Es muss nicht schlecht sein, wenn Wehr keinen neuen Wohnraum anbietet. Andere Städte in der Umgebung könnten stärker wachsen – und das kann auch Wehr nützen.

Weniger Zuzug bedeutet: weniger Verkehr, geringerer Druck auf Kitas, Schulen und Straßen, keine überhitzten Grundstückspreise, kein Verlust von Grünflächen. Wehr könnte sich auf Qualität statt Quantität konzentrieren – auf die Pflege des Bestehenden, auf nachhaltige Stadtentwicklung, auf Lebensqualität für die, die bereits hier wohnen.

In einer Region, in der viele Gemeinden um Neubürger werben, könnte Wehr bewusst den Gegenpol bilden – ein Ort, der sagt: Wir wachsen nur dort, wo es Sinn ergibt.

Regionale Balance statt Konkurrenz

Kommunen stehen oft in einem stillen Wettbewerb miteinander: Wer schafft mehr Baugebiete, wer zieht mehr Familien an, wer senkt die Hebesätze?

Doch diese Konkurrenz führt selten zu langfristig ausgewogener Entwicklung. Wenn alle wachsen wollen, überhitzt der Markt, die Infrastruktur stößt an Grenzen, und am Ende profitieren vor allem Bauträger.

Ein anderes Verständnis wäre möglich: Städte und Gemeinden als Partner, nicht als Gegner. Wenn Wehr sein Wachstum bremst, kann das Nachbarorten helfen, ihre Potenziale zu entfalten – während Wehr selbst Freiräume bewahrt, Flächen schont und langfristig finanziell stabil bleibt.

Nicht jede Stadt muss alles anbieten. Eine Region lebt von Vielfalt – und von bewusst gesetzten Schwerpunkten.

Stadtentwicklung ist kein Automatismus

Kownatzkis Satz „ob wir wollen oder nicht“ klingt nach Realismus, ist aber in Wahrheit ein verkürzter Blick auf komplexe Zusammenhänge. Ja, Menschen ziehen zu, der Druck auf den Wohnungsmarkt wächst. Aber das heißt nicht, dass jede Stadt denselben Kurs fahren muss.

Stadtentwicklung ist kein Automatismus, sondern eine bewusste Entscheidung: Wie viel Wachstum wollen wir? Und vor allem: Zu welchem Preis?

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