Chance verpasst: Der Drang zur Selbstdarstellung

09. Jan. 2025

Jedes Jahr zum Jahreswechsel veröffentlicht die Stadt Wehr einen Bericht, der das vergangene Jahr Revue passieren lässt und einen Ausblick auf die kommenden Herausforderungen bietet. Diese Tradition, die der Information der Bürgerschaft dienen soll, wirft die Frage auf, ob sie tatsächlich eine transparente Bestandsaufnahme darstellt – oder vielmehr ein Werkzeug der politischen Selbstinszenierung ist.

Die Erfolge im Fokus

Ein erster Blick auf den Bericht zeigt, dass die Stadt Wehr ihre Erfolge klar in den Vordergrund stellt. Projekte wie die Fertigstellung des neuen Ärztehauses, die Sanierung der Seebodenhalle oder der Ausbau des Breitbandnetzes werden prominent hervorgehoben. Diese Errungenschaften verdeutlichen die Bemühungen der Stadtverwaltung, die Infrastruktur und Lebensqualität kontinuierlich zu verbessern. Auch kulturelle Highlights wie Jubiläen und Ehrungen tragen zur positiven Darstellung bei.

Besonders auffällig ist der optimistische Ton, der sich durch die gesamte Veröffentlichung zieht. Selbst Projekte, die noch nicht abgeschlossen sind, wie der Ausbau von Nahwärmenetzen, werden hervorgehoben, obwohl deren Realisierung teils noch Jahre in Anspruch nehmen könnte. Diese starke Betonung der positiven Aspekte vermittelt den Eindruck, dass die Stadtverwaltung vor allem die Wahrnehmung ihrer Leistungen optimieren möchte.

Kritische Themen nur am Rande

Während Erfolge betont werden, treten Herausforderungen und ungelöste Probleme deutlich in den Hintergrund. So wird beispielsweise die finanzielle Belastung der Eigenbetriebe nur beiläufig erwähnt, ohne näher auf die Ursachen oder Lösungsstrategien einzugehen. Auch problematische Infrastrukturprojekte wie die Verkehrssituation in der Innenstadt werden zwar angeschnitten, jedoch nicht ausreichend analysiert oder mit konkreten Plänen untermauert.

Politische Stabilität – Fluch oder Segen?

Die Kontinuität der politischen Landschaft in Wehr wird im Bericht mehrfach betont. Nach den Kommunalwahlen 2024 konnten bestehende Projekte nahtlos fortgesetzt werden, was die Verwaltung als Zeichen von Stabilität und Verantwortungsbewusstsein interpretiert. Doch Stabilität allein reicht nicht aus. Gerade in den zentralen Zukunftsfragen wie Klimaschutz, Mobilität und Finanzpolitik wären mutigere und innovativere Ansätze notwendig, um die Herausforderungen der kommenden Jahre effektiv zu meistern.

Ein Bericht mit Licht und Schatten

Die Veröffentlichung der Stadt Wehr zeigt klar, dass die Verwaltung und der Gemeinderat an vielen wichtigen Themen arbeiten und auch Erfolge vorweisen können. Doch gleichzeitig wird deutlich, dass die Darstellung stark auf eine positive Selbstpräsentation ausgerichtet ist. Herausforderungen wie finanzielle Engpässe oder Verzögerungen bei Infrastrukturprojekten werden entweder nur am Rande angesprochen oder ganz ausgespart.

Für die Bürgerschaft wäre eine ausgewogenere und transparentere Kommunikation wünschenswert. Ein Bericht, der nicht nur Erfolge feiert, sondern auch ehrlich auf Probleme eingeht und konkrete Lösungsvorschläge bietet, würde das Vertrauen in die Stadtverwaltung stärken und eine offene Diskussion über die Zukunft von Wehr fördern.

Die Stadt Wehr steht vor wichtigen Weichenstellungen. Es liegt an der Verwaltung, nicht nur solide Arbeit zu leisten, sondern diese auch so zu kommunizieren, dass sie den Anspruch an Transparenz und Ehrlichkeit erfüllt.