Digitaler Wahlkampf mit Maske – und KI

08.10.2025

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Der Wahlkampf zur Bürgermeisterwahl in Wehr zeigt, dass politische Auseinandersetzungen längst auch in sozialen Netzwerken stattfinden.

Drei Kandidaten werben um die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger – und auf Plattformen wie Facebook wird intensiv diskutiert.

Besonders Beiträge mit Bezug zur AfD führen dabei immer wieder zu kontroversen Reaktionen. Die Partei selbst hält sich in öffentlichen Debatten weitgehend zurück, doch einzelne Unterstützerinnen und Unterstützer äußern sich umso aktiver – häufig mit scharfer Tonlage, wie man sie aus bundesweiten Online-Diskussionen kennt.

Wer ist Mister X?

In einer Facebook-Debatte rund um die Bürgermeisterwahl fiel ein Profil auf, das sich deutlich von den üblichen Kommentaren abhob: Ein freundlich auftretender Nutzer, der sachlich argumentierte, auf Ausgleich bedacht wirkte – und für eine gleichberechtigte Teilnahme aller Parteien warb, auch der AfD.

Konkret bezog sich der Kommentar auf eine Wahlveranstaltung einer anderen Partei, zu der der AfD-Kandidat nicht eingeladen war. „Demokratie müsse auch Meinungen aushalten, die man selbst ablehnt“, schrieb das Profil sinngemäß, und sprach sich gegen den Ausschluss einzelner Bewerber aus.

Zugleich betonte der Nutzer ausdrücklich, kein AfD-Unterstützer zu sein, sondern für „Fairness und Offenheit gegenüber allen Kandidaten“ zu plädieren.

Wir haben die Herkunft dieses Profils überprüft. Nach Recherchen wurde das Konto erst Ende September erstellt. Das verwendete Profilbild weist nach Analysen mehrere Merkmale auf, die für künstlich erzeugte Porträts typisch sind. Auch die sprachliche Struktur der Kommentare zeigt Auffälligkeiten, wie sie bei automatisch generierten Texten vorkommen können.

Darüber hinaus lassen sich keine öffentlichen Spuren oder Hinweise auf eine reale Person gleichen Namens in der Region finden. Die Freundesliste ist minimal und beschränkt sich im Wesentlichen auf den AfD-Kreisverband Waldshut sowie eine weitere Person, die in sozialen Medien durch konfrontatives Diskussionsverhalten aufgefallen ist.

In weiteren Diskussionen, an denen das Profil beteiligt war, zeigen sich sprachliche Muster und Argumentationsweisen, wie sie auch auf politisch orientierten Seiten in sozialen Netzwerken häufig vorkommen.

Fest steht jedoch: Der digitale Wahlkampf hat auch die Kommunalebene erreicht – und offenbar mischt dabei zunehmend künstliche Intelligenz mit, deren Einsatz bislang kaum transparent ist.

Mögliche Folgen und Einordnung

Der Fall zeigt beispielhaft, wie leicht sich mit digitalen Werkzeugen und KI real wirkende Identitäten erschaffen lassen – und wie schwer sie zu erkennen sind.

Während große Parteien und nationale Kampagnen längst Social-Media-Strategien professionell steuern, trifft der Einsatz solcher Mittel in der kommunalen Politik auf weit geringere Sensibilität und Kontrollmechanismen.

Kommunalwahlkämpfe gelten traditionell als „nahbar“: Man kennt sich, man begegnet sich. Doch wenn vermeintliche Mitbürgerinnen und Mitbürger in Diskussionen auftreten, deren Existenz zweifelhaft ist, verändert das das Vertrauen in den öffentlichen Diskurs.

Solche Profile können Diskussionen gezielt lenken, Emotionen verstärken oder Kandidatinnen und Kandidaten unter Druck setzen – ohne dass klar ist, wer tatsächlich dahintersteht.

Fachleute für politische Kommunikation warnen schon länger vor sogenannten Sockenpuppen-Profilen („Sock Puppets“) und Astroturfing – künstlich erzeugten Bürgerstimmen, die echte Unterstützung vortäuschen sollen.
Die Verwendung von KI-basierten Profilbildern senkt die Hürde dafür erheblich.

Für Kommunen, Wählerinnen und Wähler bedeutet das:

  • Transparenz und Quellenkritik werden immer wichtiger.

  • Medienkompetenz ist eine Voraussetzung für demokratische Debatten – nicht nur in Berlin, sondern auch in Wehr.

  • Und Plattformbetreiber wie Meta müssen stärker in der Pflicht stehen, automatisierte oder irreführende Profile zu kennzeichnen oder zu entfernen.

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