Am 01.07.2025 wird der Gemeinderat Wehr in Kürze über die Organisation der öffentlichen Bürgermeisterkandidatenvorstellungen entscheiden. Der aktuelle Vorschlag sieht zwei zentrale Veranstaltungen vor, an unterschiedlichen Orten innerhalb der Stadt, offen für die Bevölkerung. Jede Veranstaltung soll gleich strukturiert ablaufen: Begrüßung, Vorstellung der Kandidierenden, moderierte Fragerunde, begrenzte Beteiligung aus dem Publikum.
Damit versucht die Stadt, Transparenz und Bürgernähe zu schaffen – ein wichtiges Signal in einem demokratischen Prozess. Doch stellt sich die Frage: Werden zwei Termine im bekannten Format dem Anspruch echter Bürgerbeteiligung gerecht?
Gleiche Bühne, gleiche Zeit – gleiche Chance?
Der Entwurf legt Wert auf Fairness: Alle Kandidierenden erhalten die gleiche Redezeit, werden gleich behandelt, und die Moderation soll neutral erfolgen. Das schafft Struktur – aber auch Grenzen. Persönlichkeitsprofile, inhaltliche Tiefe und echte Unterschiede zwischen den Bewerberinnen und Bewerbern bleiben in kompakten Präsentationen oft unsichtbar.
Der standardisierte Ablauf hilft zwar der Vergleichbarkeit, drängt jedoch gerade neue, weniger medienerfahrene Kandidierende in eine Form, die ihre Stärken womöglich nicht zeigen kann. Die Gefahr: Die Veranstaltungen werden eher zur Bühne für Slogans als für substanziellen Austausch.
Offenheit auf dem Papier – aber wie offen in der Praxis?
Zweifellos ist es positiv, dass die Stadt Wehr mündliche Fragen aus dem Publikum und sogar Nachfragen ausdrücklich zulassen will. Doch echte Offenheit misst sich nicht nur am Format, sondern an der Art der Durchführung. Wie viel Raum bleibt tatsächlich für kritische Nachfragen, wenn mehrere Kandidierende auftreten und die Zeit knapp ist? Wird die Moderation Diskussionen zulassen oder aus Zeitgründen abbrechen? Und fühlen sich Bürgerinnen und Bürger überhaupt ermutigt, spontan zu sprechen – oder wirkt das offene Mikrofon eher einschüchternd?
Offene Beteiligung verlangt mehr als das Fehlen eines Vorauswahlverfahrens. Sie braucht eine Atmosphäre, die Vertrauen schafft, eine Moderation, die auch unbequeme Fragen zulässt, und ein Zeitmanagement, das nicht zulasten der Tiefe geht. Andernfalls bleibt auch ein gut gemeinter offener Rahmen letztlich oberflächlich.
Was (noch) fehlt: Formate für echte Begegnung
Die beiden Termine sind ein Anfang – aber es braucht mehr: Themenbezogene Einzelgespräche, Stadtteilveranstaltungen, Online-Diskussionen oder niedrigschwellige Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche, Familien oder Berufstätige. Gerade in einer Stadt wie Wehr, die sich zukunftsfähig aufstellen will, sollte man Bürgerdialog nicht auf zwei Abende beschränken.
Ebenso sinnvoll wären Möglichkeiten zur digitalen Beteiligung: Ein Online-Stream mit Chatfunktion, die Sammlung schriftlicher Fragen vorab oder sogar ein interaktives Bürgerforum könnten die Reichweite und Wirkung erheblich erhöhen.
Noch nicht genug
Die geplante Kandidatenvorstellung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sie schafft Sichtbarkeit, schafft Fairness – aber keine Tiefe. Wenn die Stadt Wehr wirklich ein Zeichen für Demokratie und Beteiligung setzen will, braucht es mehr: offenere Formate, echte Dialogräume und den Mut, auch jenseits der Bühne zuzuhören.
Die Entscheidung im Gemeinderat wird zeigen, ob die Stadt bereit ist, aus einem Verwaltungsakt ein lebendiges demokratisches Ereignis zu machen – für alle.