Klimaanpassung in Wehr – Ambitioniertes Konzept mit offenem Ausgang

04.04.2025

Die Stadt Wehr hat ein Klimawandelanpassungskonzept erstellt, das als strategischer Rahmen dienen soll, um auf die zunehmenden Risiken durch Hitze, Starkregen, Dürre und Hochwasser vorbereitet zu sein. Das Konzept wurde gemeinsam mit externen Fachleuten erarbeitet, basiert auf einer umfassenden Risikoanalyse und enthält rund 50 empfohlene Maßnahmen. Doch wie aussagekräftig und wirksam ist dieses Konzept wirklich?

Ein genauer Blick auf Nutzen, Kosten, Auswirkungen und Verbindlichkeit gibt Aufschluss.

Nutzen: Schutz für Mensch und Infrastruktur

Der wohl größte Nutzen des Konzepts liegt in seiner systematischen Herangehensweise. Die Stadt Wehr hat nicht nur allgemeine Klimaziele formuliert, sondern sich auf konkrete Gefährdungen und besonders betroffene Gruppen konzentriert. Im Mittelpunkt stehen dabei vulnerable Personengruppen wie Kinder, ältere Menschen, Menschen mit chronischen Erkrankungen und Geflüchtete. Diese Gruppen sollen besonders vor gesundheitlichen Risiken durch Hitze geschützt werden.

Auch kritische Infrastrukturen – etwa die Wasserversorgung, Energieanlagen, Straßen, Brücken sowie medizinische und soziale Einrichtungen – wurden auf ihre Klimarisiken hin untersucht. Das Konzept schlägt unter anderem vor, Pflegeheime und Kindergärten mit Hitzeschutzmaßnahmen auszustatten, öffentliche Plätze durch Begrünung und Verschattung aufzuwerten und die Stadtplanung langfristig an veränderte klimatische Bedingungen anzupassen.

Darüber hinaus sieht das Konzept vor, Bürgerinnen und Bürger aktiv einzubinden, etwa durch Beteiligungsformate, Informationskampagnen und Bildungsangebote.

Die Idee dahinter: Nur wenn Klimaanpassung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird, kann sie dauerhaft erfolgreich sein.

Kosten: Unklar und schwer kalkulierbar

Trotz der vielen Vorschläge bleibt die Kostenfrage weitgehend offen. Im vorgelegten Dokument wird betont, dass keine zusätzlichen Stellen geschaffen werden sollen. Die Umsetzung der Maßnahmen soll „im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel“ erfolgen. Das bedeutet: Neue Finanzmittel sind zunächst nicht eingeplant, und es wird stark auf eine Umverteilung innerhalb bestehender Budgets gesetzt.

Gleichzeitig verweist das Konzept auf zahlreiche Fördermöglichkeiten – etwa Landesprogramme wie „KLIMOPASS“, Bundesmittel aus dem Programm „Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel“ und sogar EU-Initiativen. Die Stadt möchte auf diese Mittel zurückgreifen, konkrete Förderanträge müssen jedoch noch gestellt werden.

Derzeit ist unklar, wie hoch die tatsächliche finanzielle Belastung für die Stadt ausfällt – und welche Maßnahmen eventuell ganz entfallen müssten.

Auswirkungen: Viel Potenzial, wenig Verbindlichkeit

Die potenziellen Auswirkungen des Konzepts sind weitreichend. Besonders die geplante Integration der Klimaanpassung in die Bauleitplanung ist zukunftsweisend:

Neue Baugebiete könnten klimafreundlicher gestaltet werden, etwa durch mehr Grünflächen, optimierte Belüftung oder hitzeresistente Baustoffe. Auch die Anpassung bestehender öffentlicher Gebäude – etwa durch Fassadenbegrünung, Verschattung oder bessere Belüftung – könnte konkrete Verbesserungen für das Stadtklima bringen.

Ein weiterer positiver Aspekt ist die angekündigte gezielte Öffentlichkeitsarbeit. Damit sollen nicht nur Informationen vermittelt, sondern auch Eigeninitiative und Anpassungsverhalten in der Bevölkerung gestärkt werden – etwa durch wassersparendes Verhalten, Begrünung von Privatflächen oder bessere Vorsorge bei Extremwetter.

Doch wie viel davon tatsächlich umgesetzt wird, ist offen. Das Konzept benennt zwar zahlreiche Handlungsfelder – von der Stadtbegrünung über Verkehr bis zur Landwirtschaft –, doch es fehlen Zeitrahmen, Verantwortlichkeiten und ein verbindlicher Fahrplan. Vieles bleibt im Stadium wohlmeinender Empfehlungen.

Verbindlichkeit: Orientierung, aber keine Verpflichtung

Formal betrachtet handelt es sich bei dem Konzept um ein strategisches Planungsinstrument. Der Gemeinderat „nimmt das Konzept zur Kenntnis“ und beauftragt die Verwaltung, „bei zukünftigen Planungen Maßnahmen zu berücksichtigen, die sich als sinnvoll und umsetzbar erweisen“.

Das klingt vage – und ist es auch. Es gibt keine verbindlichen Umsetzungsbeschlüsse, keine Maßnahmen mit festgelegtem Beginn oder festem Finanzrahmen. Auch Zuständigkeiten innerhalb der Stadtverwaltung bleiben unkonkret. Ohne konkrete Umsetzungsvorgaben und ohne politische Beschlüsse zu Einzelmaßnahmen bleibt das Konzept letztlich ein Papier mit Empfehlungscharakter.

Positiv ist immerhin die Verknüpfung mit dem universitären Projekt GOKAL (Governance der Klimaanpassung) der Universität Freiburg. Die Stadt verpflichtet sich damit zur Teilnahme an einem übergeordneten Forschungsvorhaben, was langfristige Beobachtung und Wissenstransfer sichern kann. Doch auch das ersetzt keine konkrete Umsetzung.

Guter Ansatz, aber es fehlt der nächste Schritt

Das Klimaanpassungskonzept der Stadt Wehr ist inhaltlich fundiert, gut strukturiert und zeigt klar, dass die Stadt die Herausforderungen des Klimawandels erkannt hat. Der Nutzen für Mensch, Umwelt und Infrastruktur ist potenziell hoch. Die Maßnahmen adressieren reale Risiken und bieten sinnvolle Lösungen.

Allerdings bleibt das Konzept in einem entscheidenden Punkt schwach: Es ist nicht verbindlich. Ohne klare Umsetzungsschritte, ohne finanzielle Absicherung und ohne politischen Druck wird es schwer, die ambitionierten Ziele in die Praxis zu überführen. Für eine glaubwürdige Klimaanpassungspolitik braucht es mehr als ein gutes Konzept – es braucht mutige Entscheidungen, konkrete Maßnahmenbeschlüsse und eine transparente Kommunikation mit der Öffentlichkeit.

Die Bürgerinnen und Bürger sollten daher genau hinschauen: Welche Maßnahmen werden tatsächlich beschlossen? Welche Mittel werden dafür bereitgestellt? Und wie wird sichergestellt, dass aus Worten Taten werden?