Wenn zwei Städte eine Kulturbrücke schlagen, sollte man an Gleichberechtigung, Austausch und gegenseitige Inspiration denken. Doch beim Blick auf das Kulturbrücke-Programm 2024/25 zwischen Schopfheim und Wehr drängt sich eine andere Realität auf: Während Schopfheim das Ruder fest in der Hand hält, bleibt Wehr zu oft in der Rolle der Mitläuferin stecken – auch, weil lokalpolitisch zu wenig Gestaltungskraft erkennbar ist.
Quantität und Vielfalt: Ein Ungleichgewicht
Der Programmflyer liest sich eindrucksvoll: Dutzende Veranstaltungen aus Theater, Musik, Kabarett, Kinderkultur und Ausstellungen. Doch wer genauer hinsieht, stellt fest: Mehr als doppelt so viele Events finden in Schopfheim statt – nicht nur in der Anzahl, sondern auch in der thematischen Bandbreite. Große Theaterproduktionen, mutige Soloformate und innovative Konzertideen werden nahezu ausschließlich in Schopfheim realisiert. Wehr bleibt bei klassischen Konzertreihen, Lesungen, Kleinkunst und einem soliden, aber wenig experimentellen Kinderkulturprogramm.
Besonders auffällig ist, dass gesellschaftlich brisante Themen – wie beispielsweise Missbrauch in „Kitzeleien – Tanz der Wut“ oder ethische Fragen in „Die Laborantin“ – gar nicht in Wehr verortet sind. Problematisch ist also nicht nur die geringere Anzahl an Veranstaltungen, sondern vor allem die fehlende inhaltliche Vielfalt.
Infrastruktur: Kleinod statt Kulturmagnet
Mit dem KulTurm und der Kulturscheune Enkendorf hat Wehr durchaus atmosphärisch reizvolle Räume geschaffen. Doch größere Produktionen, die eine breitere Öffentlichkeit ansprechen könnten, finden fast ausnahmslos in der Stadthalle Schopfheim statt. Dort kann die Stadt nicht nur größere Kapazitäten bieten, sondern auch technisch anspruchsvollere Formate ermöglichen.
Dass Wehr derzeit keinen vergleichbar profilierten Veranstaltungsort mit überregionaler Strahlkraft besitzt, ist zum Teil strukturell bedingt – aber auch politisch versäumt. Kulturpolitik wird aktuell nachrangig behandelt.
Kulturelles Selbstbewusstsein: Eine Frage der Haltung
Die Idee der Kulturbrücke ist ein starkes Symbol. Doch wenn sie nicht auch in kuratorischen Entscheidungen gelebt wird, bleibt sie bloße Rhetorik. Wehr müsste aktiver eigene Akzente setzen, statt sich im Schatten Schopfheims einzureihen. Warum nicht einmal ein Wehrer Theaterfestival, ein Jugendprojekt mit Beteiligung lokaler Akteure oder ein Format für politische Kultur?
Aktuell wirkt es, als würde das Kulturamt Wehr das übernehmen, was übrig bleibt – statt selbst Richtung vorzugeben. Die kulturelle Handschrift der Stadt ist schwer erkennbar.
Schlussfolgerung: Von der Partnerschaft zur Teilhabe
Die Stadt Wehr hat Potenzial – künstlerisch, bürgerschaftlich, atmosphärisch. Doch dieses Potenzial bleibt bislang unter dem Radar. Damit die Kulturbrücke nicht zur Einbahnstraße verkommt, braucht es ein Umdenken. Die Zusammenarbeit mit Schopfheim kann – und sollte – inspirierend bleiben. Aber sie darf Wehr nicht dauerhaft in der Rolle des Empfängers belassen.
Was jetzt nötig ist: ein strategischer Kulturentwicklungsplan für Wehr, mehr Mut zu Eigenproduktionen und die klare politische Entscheidung, Kultur nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu gestalten.
Denn echte Brücken entstehen nur dann, wenn beide Ufer gleich stark verankert sind.