Die Entwicklung des Baugebiets „Hölzle-Hungerrain“ in Wehr war nicht nur langwierig in der Planungsphase, sondern auch von Nachforderungen zu Umweltkompensationen begleitet.
Nachdem im Rahmen eines Gutachtens und durch Einsprüche von Umweltverbänden festgestellt wurde, dass die ursprünglichen Ausgleichsflächen unzureichend waren, musste die Stadt Wehr neue Kompensationsflächen finden und die Planung anpassen.
Doch war dieser Prozess wirklich notwendig? Hätte die Stadt die zusätzlichen Kosten und Verzögerungen vermeiden können? Und hat die Umwelt letztlich davon profitiert?
Hintergrund: Warum braucht es Ausgleichsflächen?
Laut dem deutschen Baugesetzbuch (§ 1a BauGB) müssen Eingriffe in Natur und Landschaft, die durch Bauvorhaben entstehen, durch sogenannte Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen kompensiert werden. Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die ökologischen Funktionen des betroffenen Gebiets wiederhergestellt oder an anderer Stelle ausgeglichen werden. Für „Hölzle-Hungerrain“ bedeutete das: Flächen mussten gefunden werden, die den ökologischen Verlust durch das Baugebiet wettmachen.
Die Stadt Wehr hatte bereits vorab Ausgleichsflächen eingeplant, doch die Kritik des Regionalverbands Hochrhein und des Umweltverbands BUND brachte neue Herausforderungen mit sich.
Ein Gutachten zeigte, dass die geplanten Maßnahmen weder die rechtlichen Anforderungen noch die tatsächlichen ökologischen Auswirkungen des Bauvorhabens vollständig abdeckten.
Hätten die Kosten und Verzögerungen vermieden werden können?
Die Antwort lautet: Ja, zumindest teilweise. Die zusätzlichen Kosten und die langen Verzögerungen resultierten aus Planungsfehlern und einer zu optimistischen Einschätzung der gesetzlichen Anforderungen.
Bürgermeister Michael Thater selbst räumte ein, dass die Planungsprozesse in der Vergangenheit zu lange dauerten und zu bürokratisch verliefen. Gleichzeitig fehlte es offenbar an einer genauen Prüfung der Umweltauflagen und der Qualität der geplanten Ausgleichsflächen.
Was hätte besser laufen können?
Frühzeitige, umfassende Umweltgutachten: Ein genaueres Gutachten zu Beginn der Planungsphase hätte gezeigt, dass die ursprünglichen Ausgleichsflächen nicht ausreichten. Dies hätte nicht nur Einsprüche der Umweltverbände verhindert, sondern auch eine präzisere Planung ermöglicht.
Abstimmung mit Umweltverbänden: Der Umweltverband BUND und andere Kritiker wurden erst spät in den Prozess einbezogen. Ein früher Dialog hätte Konflikte entschärfen und Kompromisse fördern können.
Vorausschauendere Planung: Die Stadt hätte von vornherein größere und ökologisch wertvollere Ausgleichsflächen einplanen können, anstatt sich auf ein beschleunigtes Verfahren zu verlassen, das juristisch angreifbar war. Gerade in sensiblen Außenbereichen ist dies unerlässlich.
Indem die Stadt diese Aspekte übersehen hat, entstand nicht nur ein Imageschaden, sondern es mussten auch teurere Lösungen gefunden werden, um die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Bürgermeister Thater erklärte später, dass die Bauplätze ursprünglich für 300 Euro pro Quadratmeter angeboten werden sollten, die Kosten durch die Nachbesserungen jedoch auf 370 Euro stiegen. Diese Mehrkosten tragen am Ende die Bauherren.
Kosten und Zeit: Ein teurer Prozess?
Die erneute Umweltprüfung und die Suche nach zusätzlichen Ausgleichsflächen führten unweigerlich zu Verzögerungen. Der Satzungsbeschluss für das Baugebiet konnte erst im Mai 2023 gefasst werden – fast ein Jahr später als ursprünglich geplant. Bürger, die auf die Erschließung der Bauplätze gewartet haben, zeigten sich verständlicherweise frustriert. Doch war der Prozess wirklich nur eine bürokratische Hürde?
Der Sinn hinter der Maßnahme
Die Einwände der Umweltverbände und die zusätzliche Umweltprüfung deckten Defizite auf, die bei vielen Neubaugebieten zu kurz kommen. Das betroffene Gebiet „Hölzle-Hungerrain“ befindet sich am Rande des Außenbereichs, einer sensiblen Zone, die nicht nur als Naherholungsgebiet, sondern auch als Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten dient. Gerade in Zeiten von Klimawandel und Artensterben sind solche Eingriffe in die Natur kritisch zu betrachten.
Durch die Nachforderungen wurde sichergestellt, dass die Eingriffe nicht nur oberflächlich kompensiert werden. Die neuen Ausgleichsflächen bieten:
- Mehr Biodiversität: Die Flächen wurden gezielt so ausgewählt, dass sie Lebensräume für gefährdete Arten schaffen.
- Langfristigen ökologischen Nutzen: Statt kleinflächiger Maßnahmen wurde ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt, der die ökologische Funktionalität des Gebiets über Jahrzehnte sichern soll.
- Nachhaltigkeit im Bauprozess: Der Prozess diente auch als Signal, dass Umweltauflagen nicht nur ein bürokratischer Akt sind, sondern ernst genommen werden müssen.
Ein Balanceakt zwischen Umwelt und Bauinteressen
Während die zusätzlichen Ausgleichsflächen für die Umwelt zweifellos sinnvoll sind, zeigt der Fall auch die Herausforderungen moderner Stadtplanung. Bürger, die lange auf ein Baugebiet warten, sehen solche Verzögerungen oft als unnötige Hürden. Doch der Schutz unserer natürlichen Ressourcen ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit – insbesondere in dicht besiedelten Regionen wie dem Hochrhein.
Der Schlüssel für die Zukunft wird sein, solche Konflikte frühzeitig zu vermeiden. Schnellere, präzisere Umweltgutachten, eine vorausschauendere Planung und eine proaktive Kommunikation zwischen Stadt, Bürgern und Umweltverbänden könnten ähnliche Prozesse effizienter gestalten.
Denn am Ende darf es nicht darum gehen, Umweltinteressen gegen Bauprojekte auszuspielen – beide Ziele können und müssen miteinander vereinbar sein.