Talschulplatz und Gewerbekanal – Erste Pläne mit Ambition, aber auch offenen Fragen

26.06.2025

Der Gemeinderat Wehr diskutiert Entwürfe für zwei zentrale Stadtprojekte. Viel Potenzial – aber es braucht mehr als Symbolik.

Ein Entwurf mit richtiger Richtung

Die am 01.07.2025 im Gemeinderat vorgestellten Planungsentwürfe zur Umgestaltung des Talschulplatzes und des Gewerbekanals zeigen: Wehr will sich städtebaulich und klimapolitisch weiterentwickeln. Begrünte Flächen, Beschattungskonzepte, ein verbessertes Regenwassermanagement – das sind wichtige Ansätze, um dem Klimawandel im Stadtraum konkret zu begegnen. Auch die geplante Reinszenierung des Gewerbekanals als naturnaher Wasserlauf am Alten Schloss bringt städtebaulichen Charme und einen Hauch Identitätspflege in den Ortskern.

Starke Idee – aber noch kein Konzept mit Tiefgang

Trotz des begrüßenswerten Vorstoßes bleiben zentrale Fragen offen: Wie fügt sich die punktuelle Begrünung des Talschulplatzes in eine übergeordnete Klimastrategie ein? Wie dauerhaft und pflegeleicht sind die vorgesehenen Lösungen wirklich? Und was passiert, wenn der initiale Glanz durch fehlende Instandhaltung verblasst?

Solche Fragen gehören frühzeitig diskutiert – jetzt, wo der Entwurf noch offen ist. Denn wer heute klimaangepasst bauen will, muss nicht nur an Schatten und Bäume denken, sondern auch an Bewässerung, Reinigung, Nutzerverhalten und das Stadtklima als System.

Inklusive Gestaltung braucht mehr als schönes Design

Der Talschulplatz soll nicht nur funktional, sondern auch lebendig und einladend sein. Doch ob das gelingt, hängt nicht allein von neuen Sitzmöbeln oder Begrünung ab. Was heute als flexible Platzgestaltung beschrieben wird, muss morgen auch für alle zugänglich und nutzbar sein: barrierefrei, sozial, sicher.

Es fehlt bisher eine klare Strategie, wie die Platznutzung auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger – von Kindern über Senioren bis zu Vereinen – abgestimmt werden soll. Hier bietet die Entwurfsphase die Chance, Betroffene frühzeitig einzubeziehen.

Historie trifft Gestaltung – der Gewerbekanal als Symbolprojekt

Die Reaktivierung eines Abschnitts des alten Gewerbekanals nahe dem Alten Schloss ist historisch interessant und ästhetisch reizvoll. Doch auch hier gilt: Der ökologische und funktionale Nutzen muss im Verhältnis zum Aufwand stehen. Die geplante Frischwasserlösung ist zwar kostengünstiger als eine Ableitung aus der Wehra – aber sie bleibt ein künstlich angelegter Zirkulationslauf.

Die Frage ist: Wollen wir nachhaltige Wasserlandschaften oder symbolische Wasserinszenierungen? Auch das gehört in die politische Diskussion.

Haushalt im Blick behalten

Rund 60.000 Euro stehen derzeit nur für Planung zur Verfügung – doch die Umsetzung beider Projekte wird sich in den siebenstelligen Bereich bewegen. In Zeiten steigender Sozialausgaben, Bildungsherausforderungen und knapper Kassen muss auch gefragt werden: Wo liegen die Prioritäten? Was lässt sich verschieben, was muss sofort passieren – und was ist im Verhältnis zu anderen drängenden Themen wie Wohnraum, Gesundheit oder wirtschaftliche Impulse sinnvoll?

Diskussionswürdiger Anfang, keine fertige Vision

Die vorgestellten Entwürfe zeigen Mut und Kreativität. Sie können wichtige Impulse für das Stadtbild und das Mikroklima setzen. Aber sie dürfen nicht als fertige Vision verstanden werden. Der Gemeinderat hat jetzt die Gelegenheit, die Vorschläge kritisch zu prüfen, weiterzuentwickeln und im Idealfall mit einer übergreifenden Strategie zu verbinden: ökologisch, sozial, funktional.

Nur dann wird aus dem Talschulplatz mehr als ein schöner Ort – nämlich ein Beispiel für nachhaltige Stadtentwicklung.