Ein neuer Bürgermeister in Wehr wird sich auch mit dem Thema Wachstum beschäftigen müssen.
In den ersten beiden Teilen dieser Reihe haben wir beleuchtet, welche finanziellen Effekte Wachstum haben könnte und wie sich Wehr strategisch darauf vorbereiten müsste.
In diesem Artikel geht es darum, welche Veränderungen in Wehr ganz konkret herbeigeführt werden müssten.
Die Grenzen des Wachstums
Einnahmen wachsen linear – Kosten dagegen überproportional. Während der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer pro Kopf etwa gleich bleibt, steigen die Ausgaben durch Inflation, Tarifsteigerungen und Energiepreise jährlich an.
Das betrifft fast alle Bereiche – von der Straßenbeleuchtung bis zu den Gehältern im Bauhof. Die Stadtverwaltung muss künftig mit deutlich höheren Betriebskosten rechnen, selbst ohne Wachstum.
Damit wird klar: Wachstum allein stopft kein Haushaltsloch.
Was passieren müsste, damit Wachstum wirkt
Damit Wachstum tatsächlich einen positiven Effekt hat, müsste Wehr sich in vielen Bereichen strukturell, organisatorisch und räumlich verändern. Es geht nicht nur um mehr Einwohner, sondern um eine Stadt, die mit diesen Menschen funktioniert.
Stadtstruktur neu denken
Wehr ist keine kompakte Stadt mit zentralem Stadtkern. Die Siedlungsstruktur ist zersiedelt, geprägt von zwei Ortsteilen und ausgedehnten Wohngebieten. Jede neue Fläche am Rand bedeutet neue Straßen, längere Leitungen und höhere Betriebskosten.
Zukunftsfähiges Wachstum müsste sich deshalb auf Innenentwicklung konzentrieren: Baulücken schließen, Flächen umnutzen, Dachaufstockungen fördern. Das spart Kosten und stärkt die Innenstadt.
Solche Projekte sind komplex, brauchen Planung, Bürgerbeteiligung und politische Rückendeckung – aber sie sind entscheidend, wenn Wachstum nachhaltig wirken soll.
Energie und Versorgung umstellen
Die Energiekosten der Stadt explodieren – von Straßenbeleuchtung über Schulen bis hin zu Verwaltungsgebäuden. Wenn Wehr wachsen will, ohne in eine Kostenfalle zu geraten, muss die Energieversorgung grundlegend umgebaut werden:
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Ausbau von Photovoltaik auf öffentlichen Gebäuden,
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energetische Sanierung des Bestands,
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Nutzung von Nahwärmenetzen oder Geothermie,
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kommunales Energiemanagement, das Verbrauch aktiv steuert.
Solche Investitionen sind teuer, aber langfristig die einzige Möglichkeit, die laufenden Ausgaben zu stabilisieren. Andernfalls wird jeder neue Einwohner zum zusätzlichen Kostenfaktor.
Verwaltung und Personal modernisieren
Schon heute stößt die Verwaltung an ihre Grenzen. Wachstum würde zusätzliche Belastung bringen – mehr Bauanträge, mehr Kitas, mehr Sozialarbeit, mehr Bürgerkontakte.
Damit Wehr das leisten kann, braucht es mehr Personal oder effizientere Strukturen. Digitalisierung ist hier kein Schlagwort, sondern Voraussetzung.
Eine moderne Stadtverwaltung muss Daten, Kommunikation und Service konsequent digitalisieren, um mit denselben Ressourcen mehr leisten zu können. Ohne diesen Schritt ist Wachstum organisatorisch kaum zu bewältigen.
Infrastruktur und Mobilität planen
Wachstum bringt mehr Verkehr, mehr Pendler, mehr Belastung. Ein zukunftsfähiges Wehr muss Mobilität neu denken:
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sichere Rad- und Fußwege,
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funktionierende ÖPNV-Anbindungen in die Region,
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Parkkonzepte mit kurzen Wegen und klarer Struktur,
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und vor allem: eine Innenstadt, die Aufenthaltsqualität bietet, ohne unzugänglich zu sein
Das Ziel darf kein Idealkonzept auf dem Papier sein, sondern eine spürbare Verbesserung im Alltag.
Bildung, Betreuung und Pflege ausbauen
Kitas, Schulen, Seniorenbetreuung – das sind die größten Kostenblöcke im kommunalen Haushalt. Und sie sind in Wehr schon heute knapp bemessen.
Mehr Einwohner bedeuten zwangsläufig: mehr Kinder, mehr Betreuungsbedarf, mehr Pflegebedarf.
Damit das Wachstum nicht zur Überforderung wird, braucht es:
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Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen mit nachhaltiger Finanzierung,
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Kooperationen mit freien Trägern,
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generationengerechte Wohnformen,
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und eine langfristige Personalstrategie für Erzieher und Pflegekräfte.
Das alles lässt sich nicht „aus dem Bestand“ stemmen. Es erfordert Planung, Geld und politische Priorität.
