Mit neuen Modulen, längeren Betreuungszeiten und einer überarbeiteten Gebührensatzung will die Stadt Wehr auf den steigenden Bedarf reagieren. Doch nicht alle Familien werden entlastet.
Viel Bewegung im System
Die Stadt Wehr plant zum kommenden Schuljahr 2025/26 eine umfangreiche Neustrukturierung ihrer Betreuungsangebote für Grundschulkinder. Im Fokus stehen vor allem die Anpassung an den steigenden Bedarf berufstätiger Eltern, die Vorbereitung auf den kommenden bundesweiten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026 und eine sozial differenzierte Finanzierung.
Dazu wird das bisherige Modell „Randzeit PLUS“ umgewandelt in ein modular aufgebautes System mit klaren Zeitblöcken: Vormittagsbetreuung (bis 13 Uhr), Nachmittagsbetreuung (bis 15 Uhr) und eine erweiterte Nachmittagszeit (bis 17 Uhr). Neu ist auch, dass künftig für alle Betreuungsformen feste Elternbeiträge erhoben werden – mit sozialer Staffelung.
Flexiblere Zeiten – aber auch höhere Kosten
Ein Kernpunkt der Neuregelung: Die Betreuungszeiten sollen flexibler auf die Bedürfnisse der Eltern abgestimmt werden. Wer also etwa nur eine Betreuung bis 15 Uhr benötigt, muss nicht mehr das bisherige Komplettpaket buchen. Gleichzeitig entfällt aber die bisherige Option, die sogenannte „Randzeit PLUS“ kostenfrei über die Kommune oder das Land zu finanzieren.
Das bedeutet: Auch für Angebote, die früher gebührenfrei waren, müssen Eltern künftig zahlen – wenn auch gestaffelt nach Einkommen. Die Gebühren liegen je nach Modul zwischen 32 Euro und 88 Euro monatlich pro Kind. Wer mehr Betreuung braucht, zahlt entsprechend mehr. Zuschüsse über das Bildungs- und Teilhabepaket oder durch Geschwisterregelungen sind möglich – müssen aber aktiv beantragt werden.
Ferienangebot wird gestärkt
Ein weiterer Pluspunkt: Das Ferienprogramm der Stadt Wehr wird strukturell und finanziell gefestigt. Die Betreuung in allen Schulferien – ausgenommen sind zwei Wochen im Sommer und der Zeitraum zwischen Weihnachten und Neujahr – wird künftig fester Bestandteil des städtischen Angebots. Auch hier gelten künftig sozial gestaffelte Gebühren. Das ist besonders für Familien wichtig, deren eigene Urlaubszeiten nicht mit den Schulferien übereinstimmen.
Soziale Staffelung – ausreichend gerecht?
Die neue Gebührensatzung orientiert sich am Familieneinkommen – so weit, so sinnvoll. Zu kritisieren ist jedoch: Die Staffelung basiert auf Bruttoeinkommen und schafft so Ungleichheiten, etwa bei hohen Mieten, Alleinerziehenden oder atypischen Beschäftigungsformen. Zudem bedeutet jede Gebührensteigerung zunächst auch eine finanzielle Belastung – besonders für Familien, die bisher vollständig kostenfrei betreut wurden.
Fortschritt mit Nebenwirkungen
Die Stadt Wehr geht einen wichtigen Schritt hin zu moderner, flexibler und ganztagsorientierter Betreuung. Das Angebot wird ausgebaut, rechtlich zukunftsfähig gemacht und sozial gestaffelt – das ist ein Gewinn für viele Familien. Doch die Kehrseite ist nicht zu übersehen: Wer mehr Betreuung braucht, zahlt auch mehr. Und wer sich die Zeit nimmt, Förderungen zu beantragen, wird belohnt – wer das nicht kann, bleibt womöglich auf den Kosten sitzen.
Der Gemeinderat steht mit dieser Entscheidung vor einer klassischen kommunalpolitischen Abwägung: zwischen Gerechtigkeit und Finanzierung, zwischen Fortschritt und Belastung. Eine Begleitstrategie zur sozialen Absicherung der betroffenen Haushalte wäre hier wünschenswert – bevor aus einer Reform neue Ungleichheiten entstehen.