Warum der Lärmschutz entlang der B34 und B518 mehr ist als ein Randthema – und was das Abstimmungsverhalten im Gemeinderat über die politische Kultur in Wehr verrät.
Was auf den ersten Blick wie ein klassischer demokratischer Entscheidungsprozess aussieht – ein knapper Mehrheitsbeschluss für den Lärmschutz entlang zweier Hauptverkehrsstraßen – offenbart bei genauerem Hinsehen tieferliegende Probleme in der politischen Willensbildung in Wehr. Der Gemeinderat hatte über eine Maßnahme abzustimmen, die direkt auf die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger zielt – und nur eine hauchdünne Mehrheit fand sich bereit, dem Vorschlag zuzustimmen.
Lärmschutz: Kein Luxus, sondern eine Pflichtaufgabe
Entlang der stark befahrenen B34 und B518 gibt es ein Lärmproblem. Lärm bedeutet nicht nur Belästigung – er ist ein nachgewiesen gesundheitsschädlicher Umweltfaktor. Schlafstörungen, Stress, Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Wer an einer stark befahrenen Straße lebt, lebt nachweislich schlechter.
Die vorgeschlagene Lösung war moderat: Tempo 70 und begleitende Maßnahmen zur Verhaltensänderung der Autofahrer. Kein radikaler Umbau, keine Millioneninvestitionen. Sondern ein pragmatischer Kompromiss zwischen Mobilitätsinteresse und Anwohnerschutz.
Zähe Beratungen, verhärtete Fronten
Trotz dieser Faktenlage wurde das Thema etwa vier Monate lang durch das Gremium geschoben. Nicht, weil die technische Umsetzbarkeit zweifelhaft war. Sondern weil es innerhalb des Rates tiefgehende Meinungsunterschiede gab – teils ideologisch, teils persönlich motiviert. Anstatt in dieser Zeit aufeinander zuzugehen und gemeinsam nach Verbesserungen oder Ergänzungen zu suchen, verharrten viele Ratsmitglieder in Abwehrhaltung.
So geriet der Prozess zur Belastungsprobe – nicht nur für die Geduld der betroffenen Bürger, sondern auch für das Vertrauen in die demokratische Streitkultur vor Ort. Denn wenn eine Maßnahme, die dem Schutz der Bevölkerung dient, nur mit knapper Not beschlossen wird – was sagt das über den Stellenwert der Bürgerinteressen in der politischen Praxis?
Demokratie bedeutet nicht nur Mehrheiten, sondern Haltung
Natürlich ist es legitim, unterschiedlicher Meinung zu sein. Doch in der Kommunalpolitik, wo es um das konkrete Wohl vor Ort geht, ist Kompromissfähigkeit keine Schwäche, sondern ein demokratisches Grundprinzip. Wer sich diesem verweigert, wer lieber blockiert als gestaltet, untergräbt das Vertrauen in die Institutionen.
Gerade in kleinen Städten wie Wehr, wo Bürgerinnen und Bürger ihre Mandatsträger persönlich kennen, wiegen solche politischen Haltungen schwer. Der Eindruck verfestigt sich: Wenn es unbequem wird, wird taktiert statt entschieden.
Der Blick nach vorn
Mit dem nun gefassten Beschluss ist ein erster Schritt getan. Doch er ist nur ein Tropfen auf den heißen Asphalt, wenn die politische Haltung im Gemeinderat nicht grundlegend überdacht wird. Die Menschen in Wehr verdienen eine Politik, die sich als gestaltende Kraft versteht – nicht als Bremsklotz.
Deshalb braucht es mehr als knappe Mehrheiten. Es braucht das Bewusstsein, dass Gemeinderatsentscheidungen Verantwortung bedeuten.
Denn wer die Bürger nicht schützt, gefährdet mehr als nur deren Ruhe. Er gefährdet das Fundament, auf dem unsere lokale Demokratie steht.