Das Amt des Bürgermeisters ist längst mehr als reine Verwaltungsarbeit. Ein modernes Stadtoberhaupt muss heute gleichzeitig Manager, Netzwerker und Zukunftsstratege sein.
In Städten wie Wehr, die sich wirtschaftlich zwischen dem Oberrhein, der Schweiz und dem Hochschwarzwald positionieren, wird besonders deutlich: Wirtschaftskompetenz kann über den Erfolg einer Amtszeit entscheiden.
Kommunale Herausforderungen wie Gewerbeflächenentwicklung, Unternehmensansiedlung, Digitalisierung und Finanzplanung verlangen ein tiefes Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge. Ein Bürgermeister, der Zahlen lesen, Budgets verstehen und Gespräche mit Investoren auf Augenhöhe führen kann, verschafft seiner Stadt einen handfesten Vorteil.
Warum Wirtschaftskompetenz mehr als nur Buchhaltung ist
Wirtschaftskompetenz im Rathaus bedeutet nicht, dass der Bürgermeister ein Betriebswirt sein muss – aber er sollte verstehen, wie Wirtschaft funktioniert.
Dazu gehören:
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Finanzielle Steuerung: Die Fähigkeit, Haushaltsmittel effizient einzusetzen, Förderprogramme zu nutzen und Prioritäten zu setzen.
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Standortpolitik: Ein Gefühl für die Bedürfnisse lokaler Betriebe – von Handwerk bis Hightech.
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Netzwerkdenken: Kooperationen mit Wirtschaftsförderern, Kammern und Nachbarkommunen.
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Zukunftsplanung: Strategisches Denken bei Themen wie Energie, Fachkräftemangel oder Mobilität.
Doch Wissen allein genügt nicht. Wissen in wirtschaftlichen Fragen kann nur dann gewinnbringend eingesetzt werden, wenn Ideale eine untergeordnete Rolle spielen.
Wer kommunale Entscheidungen ideologisch überfrachtet, riskiert Stillstand. Wirtschaftliches Denken verlangt Pragmatismus – also das Abwägen zwischen dem, was wünschenswert ist, und dem, was machbar bleibt.
Ein Bürgermeister, der diese Balance findet, kann nachhaltige Entwicklung schaffen, ohne sich in Parteipositionen oder Symbolpolitik zu verlieren.
Die Bürgermeisterwahl in Wehr als Beispiel
Die Bürgermeisterwahl in Wehr bietet ein interessantes Schaubild dafür, wie unterschiedlich Wirtschaftskompetenz interpretiert und politisch vermittelt werden kann.
Die Kandidaten bringen jeweils ein anderes Verständnis davon mit, was wirtschaftliches Denken für kommunale Führung bedeutet.
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Michael Kownatzki, Unternehmer und Berater, steht klar für den Gedanken, dass wirtschaftliches Know-how der Schlüssel zu effizienter Stadtentwicklung ist. Er verkörpert den Typus des „unternehmerischen Bürgermeisters“, der Prozesse verschlanken, Verwaltung digitalisieren und Wehr als Standort marktorientiert positionieren will. Seine Haltung spiegelt die Überzeugung wider, dass wirtschaftlicher Erfolg die Basis für gesellschaftlichen Fortschritt ist.
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Denis Schimak, mit langjähriger Erfahrung im öffentlichen Dienst, nähert sich Wirtschaftskompetenz von der organisatorisch-strategischen Seite. Er argumentiert, dass Verwaltung selbst ein „Wirtschaftsbetrieb mit öffentlichem Auftrag“ sei – und dass Wirtschaftlichkeit nicht allein aus Rendite, sondern auch aus Nachhaltigkeit, Bürgerbeteiligung und Planungssicherheit entsteht. Sein Ansatz verbindet klassische Verwaltungsstärke mit ökonomischem Denken.
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Matthias Jehle schließlich bringt einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund mit, verfolgt aber einen stärker politisch-ideologisch gefärbten Ansatz. Seine Kandidatur zeigt, dass Wirtschaftskompetenz auch unterschiedlich ausgelegt werden kann – je nachdem, ob sie als fachliches Werkzeug oder als ideologisches Leitbild verstanden wird.
Diese Unterschiede machen die Wahl in Wehr zu einem spannenden Gradmesser für ein grundsätzliches Thema: Wie viel Wirtschaft braucht Politik – und wie viel Politik verträgt Wirtschaft?
Einschätzung
Die Diskussion in Wehr zeigt exemplarisch, dass reine Fachkenntnis in wirtschaftlichen Fragen kein Garant für gute Kommunalpolitik ist. Entscheidend ist, wie diese Kompetenz in den Dienst des Gemeinwohls gestellt wird.
Ein Bürgermeister, der wirtschaftlich denkt, aber ideologisch agiert, läuft Gefahr, betriebswirtschaftliche Logik über soziale Verantwortung zu stellen. Umgekehrt kann ein zu idealistisch handelnder Amtsinhaber Chancen für Standortentwicklung und Investitionen verpassen.
Damit wird die Wahl auch zur Weichenstellung für den Führungsstil der kommenden Jahre: Wird wirtschaftliche Kompetenz als praktisches Werkzeug zur Problemlösung verstanden – oder als Profilierungsmerkmal im Wahlkampf?
Die Antwort darauf dürfte bestimmen, ob Wehr in Zukunft wirtschaftlich dynamischer, verwaltungstechnisch effizienter und zugleich sozial ausgewogen geführt wird.
